Was auf einem Android-Smartphone läuft, ist oft auch für den Linux-Rechner verfügbar. Man kann auf einen bestimmten Dienst über den Webbrowser zuzugreifen, oder es steht eine Linux-Version der Android-App zur Verfügung. Benötigt man spezielle Programme, Tools oder Spiele, die ausschließlich auf Android-Geräten laufen, lassen sich auch diese unter Linux starten. Allerdings ist die dafür nötige Software noch nicht ganz ausgereift, weshalb längst nicht alle Android-Apps problemlos unter Linux laufen. Die Software ist jedoch kostenlos, sodass man einfach ausprobieren kann, ob die gewünschte App funktioniert. Wir stellen in diesem Artikel drei Methoden vor, über die man Android-Apps unter Linux starten kann. Die erste eignet sich nur für Ubuntu 20.04, die beiden anderen funktionieren auch unter Linux Mint 20.
Voraussetzungen für Waydroid schaffen
Waydroid nutzt das Displayserver-Protokoll Wayland. Aus diesem Grund eignet sich die Software nur für Ubuntu mit Gnome-Desktop ab Version 20.04, weil Linux Mint Cinnamon Wayland bisher nicht unterstützt. Waydroid benötigt die Kernel-Module ashmem_linux und binder_linux, die bei Ubuntu 20.04 standardmäßig vorhanden sind (ab Kernel 5.4). Die Module lädt Waydroid automatisch, eine besondere Konfiguration ist nicht erforderlich.
Auf dem PC muss der Intel-Grafikchip aktiv sein, mit einer Nvidia-GPU arbeitet die Software nicht gut zusammen. Bei Ubuntu 20.04 ist Wayland ohnehin deaktiviert, wenn der Nvidia-Grafikchip verwendet wird. Es gibt zwar Einstellungen, mit denen sich die Verwendung der Nvidia-Grafik erzwingen lässt, bei unseren Tests war das jedoch nicht erfolgreich, weshalb wir davon abraten.
Nutzer eines Notebooks können über das Tool Nvidia X Server Settings auf die Intel-GPU umschalten („Intel Power Saving Mode)“.
Das Tool ist standardmäßig installiert, wenn ein proprietärer Nvidia-Treiber über „Anwendungen & Aktualisierungen –› Zusätzliche Treiber“ eingerichtet wurde. Bei Desktop-PCs muss der Monitor mit dem HDMI/DVI-Anschluss auf dem Motherboard verbunden sein.
Im Anmeldebildschirm klicken Sie auf den Benutzernamen, wählen in der Sitzungsauswahl rechts unten den Eintrag „Ubuntu mit Wayland“, geben Ihr Passwort ein und melden sich an. Zur Kontrolle führen Sie im Terminal die Zeile
echo $XDG_SESSION_TYPE
aus. Die Ausgabe muss „wayland“ lauten. Erscheint stattdessen „x11“, prüfen Sie die vorgenannten Einstellungen noch einmal.
Waydroid unter Ubuntu installieren
Waydroid wird als Snap-Container eingerichtet, in dem ein Android-System für x86_64-CPUs läuft. Die Unterstützung für Snap-Pakete muss installiert sein, was bei Ubuntu 20.04 standardmäßig der Fall ist. Das Android-System wird vom Linux-Kernel über LXC (Linux Containers) gestartet. Dabei handelt es sich nicht um eine virtuelle Maschine oder Emulation, was die Leistung verbessert.
Schritt 1: Für Waydroid sind noch einige Pakete der Distribution erforderlich, die Sie im Terminal mit
sudo apt install curl python3 pip lxc xclip ca-certificates
einrichten. Für den Austausch von Daten über die Zwischenablage wird ein Python-Paket benötigt, das man so nachinstalliert:
sudo python3 -m pip install pyclip
Schritt 2: Führen Sie die folgenden fünf Befehle aus, um das Waydroid-Repositorium hinzuzufügen und die Software zu installieren.
sudo curl -# --proto '=https' --tlsv1.2 -Sf https://repo.waydro.id/waydroid.gpg --output /usr/share/keyrings/waydroid.gpg
echo "deb [signed-by=/usr/share/keyrings/waydroid.gpg] https://repo.waydro.id/ focal main" > ~/waydroid.list
sudo mv ~/waydroid.list /etc/apt/sources.list.d/waydroid.list
sudo apt update
sudo apt install waydroid
Sie können die Befehlszeilen auch von der Webseite https://docs.waydro.id/usage/install-on-desktops kopieren.
Schritt 3: Starten Sie im Terminal
sudo waydroid init
Damit werden die Waydroid-Umgebung und das Android-Systemimage eingerichtet. Dabei handelt es sich um die x86-Version von Lineage-OS 17.1 , zurzeit auf der Basis von Google Android 10. Abschließend startet man den Container mittels
sudo systemctl start waydroid-container
Nach einem Linux-Neustart wird der Dienst automatisch ausgeführt.
Android-Oberfläche mit Waydroid nutzen
Waydroid starten Sie über eine Suche in den „Aktivitäten“. Es zeigt die Android-Oberfläche im Vollbild. Die Bedienung ohne Touchscreen ist gewöhnungsbedürftig. Die gedrückte linke Maustaste ersetzt den Finger, Wischgesten erfolgen durch Bewegung der Maus. Zieht man den unteren Bereich nach oben, öffnet sich das Menü mit der App-Übersicht. Eine Wischgeste von rechts nach links blättert zur nächsten Seite des Home-Screens, auf dem man die dort abgelegten Icons sieht. In der unteren Leiste kann man über die erste Schaltfläche eine App schließen beziehungsweise in den Hintergrund schicken, dann folgt der Home-Button und zuletzt die Taskschaltfläche, die zur Übersicht und Auswahl der laufenden Apps führt. Ein Klick auf die obere Leiste zeigt beispielsweise die Schaltflächen „WLAN“ und „Bluetooth“, die bei Waydroid jedoch ohne Funktion sind. Außerdem erscheinen hier Benachrichtigungen.
Eine App öffnet man per Klick auf ein Icon. Die meisten Apps starten im Vollbild, teilweise kann man mit F11-Taste den Fenstermodus aktivieren. Dann lässt sich die App auf dem Android-Desktop frei bewegen und das Fenster lässt sich vergrößern oder verkleinern. Sie können Apps auch direkt über „Aktivitäten“ von Linux aus starten.
Waydroid lässt sich über die grafische Oberfläche nicht beenden. Hierfür ist folgender Terminalbefehl erforderlich:
sudo systemctl restart waydroid-container
Konfiguration: Über die App „Einstellungen“ lässt sich unter „System“ die Sprache und Tastatur auf Deutsch umstellen. Ansonsten gibt es hier die bei Android üblichen Einstellungen wie „Apps & Benachrichtigungen“ oder „Display“ und „Töne“.
Weitere Apps installieren
Waydroid bringt nur wenige Apps mit, Google-Anwendungen sind aus lizenzrechtlichen Gründen nicht enthalten. Wer Apps installieren will, benötigt deren APK-Dateien. Einige Originalhersteller bieten den Download auf ihren Webseiten an, meist führt der Weg jedoch zu Google Play. Darüber ist aber nur die Installation und kein Download möglich.
Im Internet gibt es einige Anbieter, die den direkten Download ermöglichen. Als vertrauenswürdig gilt beispielsweise https://f-droid.org , ein Anbieter für Open-Source-Apps. Die Auswahl ist allerdings beschränkt.
Auf der Website finden Sie das APK-Paket für F-Droid, das Sie wie unten beschrieben in Waydroid installieren. Für weitere Anbieter möchten wir keine Empfehlung abgeben, da kaum jemand deren Seriosität beurteilen kann.
Der sicherste Weg ist es, Apps von einem Android-Gerät auf den PC zu übertragen. Dafür verwendet man ein Tool wie MyAppSharer ,über das man die gewünschten Apps als APK-Datei „teilen“, also beispielsweise auf Google Drive speichern kann.
Am Linux-PC lädt man dann die Datei herunter, startet Waydroid und öffnet ein Terminal. Mit einer Befehlszeile nach dem Muster
waydroid app install [file.apk]
lässt sich die App dann installieren und erscheint nach kurzer Zeit auf der Oberfläche oder im App-Menü.
Die Mausbedienung der Android-Oberfläche lässt sich mit einem alternativen Starter verbessern, beispielsweise mit der App Taskbar . Die App zeigt links unten eine Schaltfläche für ein einfaches Startmenü und in der Leiste die Liste der zuletzt gestarteten Apps. Die APK-Datei lässt sich direkt von der Webseite herunterladen und dann installieren. Nach dem Start aktiviert man die App über den Schalter oben rechts. Unter „Allgemeine Einstellungen“ setzt man ein Häkchen hinter „Beim Hochfahren starten“, damit Taskbar gleich nach dem Start zu Verfügung steht.
Google Play mit Waydroid verwenden
Wer auf Google-Apps nicht verzichten will, kann in Waydroid Google Play einrichten. Darüber lässt sich zwar fast alles installieren, jedoch ist nicht garantiert, dass eine App dann unter Waydroid läuft. Bei einfachen Programmen stehen die Chancen gut, Spiele mit aufwendiger Grafik laufen in der Regel nicht.
Schritt 1: Installieren Sie im Terminal mit
sudo apt install lzip sqlite git
die erforderlichen Pakete.
Schritt 2: Führen Sie die folgenden drei Befehle in Ihrem Home-Verzeichnis aus:
git clone https://github.com/casualsnek/waydroid_script
cd waydroid_script
sudo python3 -m pip install -r requirements.txt
Beenden Sie den Waydroid-Dienst mit
sudo systemctl stop waydroid-container
Schritt 3: Starten Sie
sudo python3 waydroid_extras.py -g
und starten den Dienst neu:
sudo systemctl start waydroid-container
Schritt 4: Jetzt muss das Android-System bei Google registriert werden:
sudo python3 waydroid_extras.py -i
Öffnen Sie die angezeigte Google-URL im Browser und melden Sie sich mit Ihrem Google-Konto an. Geben Sie die ID auf der Webseite ein und klicken Sie auf „Registrieren“. Wenn Sie Google Play in Waydroid starten, erscheint die Meldung „This device isn’t Play Protect certified“. Es dauert einige Zeit, bis Google die Anfrage verarbeitet hat. Die Meldung verschwindet dann und Sie können sich mit Ihrem Google Konto anmelden und Apps installieren.
Schritt 5: Stoppen Sie waydroid-container erneut und führen Sie diesen Befehl aus:
sudo python3 waydroid_extras.py -l
Damit wird libhoudini installiert, eine Übersetzungsschicht für ARM-Apps auf x86-Systemen. Das ist nicht zwingend erforderlich, weil in den meisten APK-Paketen Dateien für alle verfügbaren Architekturen stecken. Sichergestellt ist das jedoch nicht, weshalb die Installation von libhoudini empfehlenswert ist. Starten Sie Linux danach neu.
Anbox für Ubuntu oder Linux Mint
Anbox (Android in a Box) verwendet wie Waydroid Linux Containers (LXC) und ein x86-Android-System. Wayland ist hier nicht erforderlich und auch Nvidia-Grafikchips werden unterstützt. Anbox befindet sich immer noch im Alphastadium und die Entwicklung geht zäh voran. Das Android-System in der Version 7 ist ebenfalls nicht gerade auf dem neuesten Stand. Die Grafikleistung bei Anbox ist geringer als bei Waydroid, für viele Apps jedoch ausreichend.
Hinweis: Aufgrund der Ähnlichkeiten sollten Sie Anbox und Waydroid nicht parallel installieren. Andernfalls können sich die Programme gegenseitig stören, was zu Fehlfunktionen führt.
Voraussetzungen: Anbox wird als Snap-Paket installiert. Die nötige Software ist bei Ubuntu 20.04 (Gnome) bereits vorhanden. Bei anderen Ubuntu Varianten lässt sie sich mit dem Befehl
sudo apt install snapd
nachinstallieren. Nutzer von Linux Mint müssen dies vorher im Terminal mit diesen beiden Kommandos explizit freischalten:
cd /etc/apt/preferences.d/
sudo mv nosnap.pref nosnap.bak
Die nötigen Kernel-Module lädt Anbox nicht automatisch. Daher müssen Sie diese beiden Befehle
echo "ashmem_linux" | sudo tee -a /etc/modules
echo "binder_linux" | sudo tee -a /etc/modules
verwenden und Linux neu starten.
Installation: Die Anbox-Installation erfolgt mittels
sudo snap install --devmode --beta anbox
Danach lässt sich der Anbox Application Manager über das Mint-Menü oder unter Ubuntu über „Aktivitäten“ starten. Die Android-Oberfläche zeigt sich in einem Fenster, dessen Größe nicht veränderbar ist. Darüber lassen sich die wenigen vorinstallierten Apps starten, beispielsweise „Files“, „Gallery“ und „Calendar“. In den „Einstellungen“ kann man unter „Language & Input –› Languages“ die Sprache „Deutsch“ hinzufügen.
Apps in Anbox installieren
Anbox besitzt keine eigene Funktion für die Installation von Apps. Stattdessen kommt das Android-Tool adb zum Einsatz, das Sie mit dem Kommando
sudo apt install android-tools-adb
installieren. Sollte der Anbox Application Manager laufen, beenden Sie ihn, starten dann mit
adb start-server
und installieren mit
adb install [file.apk]
eine APK-Datei, die Sie aus Quellen erhalten wie schon für Waydroid beschrieben.
Google Play installieren: Wenn Sie Apps aus dem Play Store verwenden möchten, installieren Sie zuerst diese Pakete:
sudo apt install wget curl lzip tar unzip squashfs-tools
Dann führen Sie die folgenden beiden Befehle aus:
wget https://m6u.de/ABPS -O install-playstore.sh
bash ./install-playstore.sh
Starten Sie den Anbox Application Manager und darüber Google Play.
Nach der Anmeldung mit einem Google-Konto lassen sich die gewünschten Apps installieren.
Siehe auch:
Die besten Messenger für Linux im Vergleich